Allein ist nicht gleich einsam – vor allem in der Schweiz geniesst man Zeit für sich
Wer Zeit allein verbringt, muss deshalb nicht einsam oder unglücklich sein. Das zeigt eine aktuelle Marketagent-Umfrage, die in 14 europäischen Ländern (Schweiz, Österreich, Deutschland, Bulgarien, Kroatien, Tschechische Republik, Frankreich, Ungarn, Italien, Polen, Slowakei, Slowenien, Spanien und Türkei) durchgeführt wurde. Fast die Hälfte der über 30.000 Befragten (44%) gibt an, (sehr) oft allein zu sein. Hierzulande liegt dieser Wert mit 44% exakt im Durchschnitt. Es fällt allerdings auf, dass die Schweizer*innen Zeit für sich besonders schätzen: 74% geben an, gerne allein zu sein. Damit liegen die Eidgenoss*innen an der europäischen Spitze, noch vor Italien (73%) und Österreich (72%, Europa-Auswahl: 66%). Spannend: In Ungarn wird nicht nur am wenigsten Zeit allein verbracht (37%), das Alleinsein wird auch am wenigsten geschätzt (49%).
Was das allgemeine Glücksniveau betrifft, liegt die Schweiz ebenfalls knapp über dem Durchschnitt: Ein gutes Fünftel der heimischen Bevölkerung (22%) bezeichnet sich selbst als (sehr) glücklich, im Europa-Vergleich sind es 19%. In Österreich zeigt sich das Glücksniveau ähnlich (21%), während Deutschland mit 17% gemeinsam mit Frankreich (16%) und Ungarn (15%) auf den untersten Plätzen zu finden ist.
Einsamkeit trifft vor allem Jüngere und Alleinstehende
Länderübergreifend berichten 19% der Befragten, sich oft oder sogar (fast) immer einsam zu fühlen. Unter jungen Menschen liegt dieser Wert besonders hoch: Jede*r Vierte (26%) der Unter-29-Jährigen verspürt häufig Einsamkeit, in der Gruppe der 30–49-Jährigen sind es 20% und bei den Über-50-Jährigen nur noch 15%. In Hinblick darauf, dass die Schweizerinnen und Schweizer überdurchschnittlich gern Zeit ohne die Gesellschaft anderer verbringen, überrascht es wenig, dass sich nur 16% der Bevölkerung häufig einsam fühlen und damit einen der niedrigsten Werte im Ländervergleich erreichen. Am häufigsten einsam fühlt man sich übrigens in der Türkei (28%) und in Frankreich (27%).
Auch bei den Folgen des Alleinseins zeigen sich klare Unterschiede. Während europaweit insgesamt rund jede*r Dritte durch Einsamkeit in der Lebensqualität (stark) beeinträchtigt ist (32%), trifft das in der Schweiz nur auf ein Viertel (25%) zu. Zum Vergleich: Beim traurigen Spitzenreiter Italien ist dieser Anteil mit 42% deutlich höher ausgeprägt. Am stärksten leidet die Lebensqualität von alleinstehenden Personen (ledig: 39%, verwitwet: 37%, geschieden bzw. getrennt: 33%), wohingegen sich Personen in Beziehung (29%) und Ehe (26%) deutlich resilienter zeigen.
Fehlende Kontakte und Partnerschaft als Hauptgründe für Einsamkeit
Nicht nur das Fehlen einer Partnerschaft löst Einsamkeit aus, auch wenn es für 17% der Befragten eine der Hauptursachen darstellt. Insbesondere ein Mangel an sozialen Kontakten und Freundschaften führt europaweit dazu, dass man sich einsam fühlt (21%). Je 16% geben ausserdem an, im Alltag zu wenig Zeit zu haben, um bestehende Kontakte zu pflegen und ihre Familie und Freund*innen zu selten zu sehen. Auch veränderte Lebensumstände, wie Trennungen, Jobverlust oder Umzüge, spielen für 14% eine Rolle.
Für mehr als die Hälfte (55%) schwankt die Einsamkeit mit den Jahreszeiten. So fühlen sich im Winter 36% der Befragten besonders einsam, im Herbst sind es 15%. In den warmen Jahreszeiten treten Einsamkeitsgefühle dagegen deutlich seltener auf (Sommer: 9%, Frühling 4%).
Verbunden im digitalen Raum, einsam in der realen Welt?
Social Media wird zwar von fast jedem*r Dritten (29%) als Mittel gegen Einsamkeit genutzt, erweist sich allerdings als zweischneidiges Schwert: 32% sagen aus, dass soziale Medien es ihnen erleichtern, mit Freund*innen und Bekannten in Kontakt zu bleiben, 37% sehen jedoch durch die zunehmende Digitalisierung einen Rückgang echter Kontakte. Beinahe jede*r Zweite (45%) ist der Ansicht, dass Social-Media-Interaktionen nicht in der Lage sind, reale Beziehungen zu ersetzen. Insbesondere bei jungen Menschen setzt offensichtlich die sogenannte „FOMO“ (Fear Of Missing Out) ein, wenn sie durch Aktivitäten ihres Freundeskreises in sozialen Medien das Gefühl bekommen, etwas zu verpassen (23% der Unter-29-Jährigen, Durchschnitt: 12%).
Unabhängig von der Rolle der Digitalisierung ist man sich über die Ländergrenzen hinweg mehrheitlich einig, dass Einsamkeit in der Gesellschaft in den vergangenen Jahren zugenommen hat (56%). Obwohl man hierzulande vergleichsweise weniger stark von der Problematik betroffen fühlt, teilen 54% der Schweizer*innen diese Einschätzung. Einleuchtend ist daher auch die Angst vor Isolation im Alter. Knapp die Hälfte (46%) fürchtet sich davor, im Alter einsam zu sein. In der Schweiz liegt dieser Wert bei 37% - deutlich unter dem Schnitt, aber noch immer auf hohem Niveau. Spitzenreiter sind Polen und Frankreich, wo fast 60% diese Angst teilen.
„Unsere Ergebnisse zeigen deutlich: Alleinsein bedeutet nicht automatisch Einsamkeit – gerade in der Schweiz wird die Zeit für sich selbst besonders geschätzt. Gleichzeitig dürfen wir jedoch nicht übersehen, dass Einsamkeit ein wachsendes gesellschaftliches Problem bleibt, das vor allem Jüngere und Alleinstehende trifft. Auch wenn die Schweiz insgesamt besser dasteht als viele andere Länder, besteht Handlungsbedarf, um Isolation im Alter und dem schleichenden Rückzug sozialer Kontakte frühzeitig entgegenzuwirken“, so das Fazit von Roland Zeindler, Geschäftsführer der Marketagent Schweiz AG.